Reiche Region mit vielen bedürftigen Menschen

Paritätischer Wohlfahrtsverband präsentiert regionalen Armutsbericht / Die Zahl der Wohnungslosen steigt

Karlsruhe (kdm). Eine Zahl fällt auf und überrascht dann doch ein wenig: Die Region Mittlerer Oberrhein, dazu gehören die kreisfreien Städte Karlsruhe und Baden-Baden sowie die Landkreise Rastatt und Karlsruhe, belegt mit einer Armutsquote von 12,6 Prozent einen eher unrühmlichen „3. Platz“ in Baden-Württemberg. Nur in der Region Rhein-Neckar (15,5 Prozent) und in der Region Südlicher Oberrhein (13,6 Prozent) ist die Quote höher. Die Zahlen sind Teil des Armutsberichtes, den gestern in Karlsruhe Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vorstellten. Das bundesweite Datenmaterial, runtergebrochen auf Bundesländer und Regionen, stammt aus dem Mikrozensus 2015.

Als einkommensarm wird jede Person gezählt, deren Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Demnach gilt ein Single mit einem Einkommen von unter 943 Euro als armutsgefährdet; bei einem Paarhaushalt mit zwei Kindern beginnt die Gefährdung bei 1 978 Euro. Eine griffige Erklärung, warum gerade in der doch prosperierenden Region Mittlerer-Oberrhein die Armutsquote abermals zunahm (von 11,7 auf 12,6 Prozent bei einem Landesdurchschnitt von 11,8 Prozent), findet sich kaum.

Auf der anderen Seite zieht aber auch nicht das rosarote Argument, dass in der Region die Arbeitslosenquote so niedrig wie kaum zuvor wäre. In diesem Zusammenhang erinnerte Peter Hafner vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg an die Vielzahl prekärer Arbeitsverhältnisse; Tendenz steigend. Nach wie vor am häufigsten von Armut beziehungsweise von einer Armutsgefährdung betroffen – wohlgemerkt bezogen auf deutsche Verhältnisse – sind Alleinerziehende, Erwerbslose, Menschen mit niedriger Qualifikation und zunehmend Rentner.

Überdies habe sich allein in Karlsruhe in den vergangenen Jahren die Zahl der Wohnungslosen (von 300 auf 600) verdoppelt, sagte Jörg Mauter vom Verein Sozialpädagogische Alternativen Karlsruhe. Bundesweit, sodenn sich das überhaupt erfassen lässt, sollen 500 000 Menschen ohne Wohnsitz sein. Als besonders gravierendes gesellschaftliches Problem benennt Mauter die „vertiefte Armut“; vereinfacht ausgedrückt die Armut, aus der niemand von alleine mehr herauskommt oder in die er hineingeboren wird.

Bildung, flächendeckende Kinderbetreuung, sozialer Wohnungsbau („Menschenrecht auf eigene Wohnung“) sind für Ulrike Sinner vom Paritätischen Kreisverband Karlsruhe wichtige Instrumente, dem Teufelskreislauf Armut entgegenzuwirken oder ihn erst gar nicht entstehen zu lassen. Einig sind sich die Vertreter der Verbände darin, dass man jedem Menschen, Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen müsse: „Niemand darf abgehängt werden.“ Vieles ließe sich durch eine „Umverteilung“ finanzieren – dadurch, dass die Schere zwischen Arm und Reich allmählich wieder geschlossen werde.

Konkret Eingang in den Armutsbericht hat nun auch die Gruppe der behinderten Menschen gefunden. Statistisch wurde sie zwar immer mit berücksichtigt, allerdings nicht als eigenständige Größe. Viele Behinderte seien besonders von Armut bedroht, meinte Hafner. Behinderung ist beileibe kein „Gott gewolltes Schicksal“. 96 Prozent der rund 900 000 behinderten Menschen in Land Baden-Württemberg sind laut Hafner nicht mit einer Behinderung geboren worden, sondern haben sie infolge eines Schicksalsschlages erlitten.

BNN - 03.03.2017

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